Die SPD-Fraktion im Landtag NRW will Verschickungskindern bei der Aufarbeitung ihrer von Isolierung und Misshandlung geprägten Geschichte helfen und setzt das Thema auf die parlamentarische Tagesordnung. Auch Betroffene aus Herne können sich an Selbsthilfegruppen wenden, um traumatische Erfahrungen besser bewältigen zu können.
Sie wurden millionenfach weggeschickt. Von heute auf morgen, im Kindesalter. Meist mehrere Wochen weg von zuhause. Zur Erholung oder Kur hieß es stets. Aber das, was die sogenannten Verschickungskinder während ihres Aufenthaltes in Heimen erfahren mussten, waren nicht selten Angst und Schrecken. Essenszwang, Prügel, Drangsal waren an der Tagesordnung. Bis heute ist ungeklärt, wer für die Verschickung verantwortlich war. Fest steht nur, dass das System seit den 1950er bis in die 1990er Jahre existierte.
Viele Betroffene leiden bis heute darunter, zum Teil unter schweren Depressionen und Angstzuständen. Erst langsam beginnen sie zu verstehen, was mit ihnen passiert ist. Und sie haben begonnen, sich zu finden und sich zu artikulieren. Inzwischen hat sich eine NRW-weite Selbsthilfegruppe gegründet, die auf ihr Thema verstärkt aufmerksam macht. Der Herner Landtagsabgeordnete Alexander Vogt möchte auch Betroffene aus Herne dazu ermutigen, diese Chance bei Bedarf zu nutzen: „Die Selbsthilfegruppe ermöglicht, in den gemeinsamen Austausch kommen und dadurch die traumatischen Erfahrungen besser bewältigen zu können.“
Die SPD-Fraktion im Land setzt sich für die Belange der Verschickungskinder ein und hat dazu für die nächste Sitzung des NRW-Landtags in der kommenden Woche (7./8. Oktober) einen Antrag gestellt. Darin fordert sie die Landesregierung dazu auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und die Aufklärung und Aufarbeitung des Themas voranzutreiben. „Es geht darum, das Leid der Betroffenen deutlich zu machen und endlich anzuerkennen“, sagt dazu Alexander Vogt.
Zu diesem Zweck solle die Landesregierung neben therapeutischen Angeboten für die Betroffenen auch den Aufbau einer Geschäftsstelle vorantreiben. „Wir wollen den Verschickungskindern dabei helfen, Zugang zu Archiven zu bekommen und eine eigene Organisationsstruktur aufzubauen“, so Vogt. „Dazu muss das Land die nötigen Mittel bereitstellen. Wir fordern die Landesregierung daher zu Verantwortungsbereitschaft auf.“
Wichtig ist den SPD-Parlamentariern, dass ihre Initiative möglichst breite Unterstützung findet und im Konsens über die Zielsetzung diskutiert wird. Alexander Vogt erklärt daher: „Hier darf es nicht um parteipolitische Auseinandersetzung gehen, sondern das Schicksal der Betroffenen muss im Mittelpunkt stehen. Wir sind es ihnen schuldig, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen.“
Der Antrag der SPD-Fraktion wird kommende Woche im Plenum beraten. Betroffene können sich an verschickungskind@nullt-online.de wenden.